DIE TIEFEN DES EISMEERES

«  So, wie geht es dir heute, ANEA? » «  Wunderbar, lieber Arthur, danke ! Dann wollen wir los zum Eismeer, nicht wahr? » «  Ja, ANEA, nun geht es Richtung Norden. Gut, dass du warme Kleider dabeihast. »

Im nächsten Moment beginnt die Reise mit Arthurs Kutsche in sanftem Wiegen durch das wundersame Blau des unendlich tiefen und grossen Meeres. Die vorbeischwimmenden Fische aller Arten und Farben winken ANEA freundlich zu. Schön, denkt ANEA, einfach schön ist es hier überall. Da wird es dunkler im Wasser, die Ströme des Meeres werden stärker und die Kutsche gleitet unruhig und mehr und mehr schaukelnd durch die riesigen Wassermassen. Ein immenser Makrelenschwarm weicht in letzter Sekunde der schnell fahrenden Kutsche aus und Arthur hat alle Hände voll zu tun, diese in Balance zu halten.

«  Halte dich gut fest, ANEA, hier im Norden sind die Wasser etwas unruhig. Bitte habe keine Angst, ich kenne den Weg und weiss, wo die schwierigen Stellen sind. »
«  Danke, Arthur, da bin ich froh. »

Nun geht’s weiter. Unvermittelt zieht die Kutsche in die Tiefe, in rasantem Tempo, immer schneller, schneller und schneller. Was ist das bloss, denkt ANEA etwas unruhig. Warum fahren wir mit fast unhaltbarer Geschwindigkeit in die Tiefe? Arthur pustet und kämpft heftig mit seinen Flossen, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Doch er kennt den Weg und ist ein guter Kapitän. «  Festhalten, ANEA, die Fahrt wird noch wilder ! »

Kaum sagt er dies, wirbelt Arthur samt Kutsche mit ANEA darin in immer schnelleren Kreisen in die Tiefe. Dunkler wird es, dunkler und einsamer. Fische sind keine mehr hier. Mit einem Mal erhellt ein Blitzen das Dunkel. Doch dann ist es wieder finstere Nacht. Die ganze Kutsche zieht es in einem gigantischen Wasserstrudel weiter hinab. Endlos scheint die Fahrt.

ANEA starrt angstvoll in das schwarze Nichts. Die Wassermassen schäumen nun auf und auch ein komischer Geruch steigt dem kleinen Mädchen in die Nase. Fast beissend ist dieser und brennt in den Augen. Doch Arthur, das Walross, kämpft unbeirrt und tapfer weiter. «  Festhalten, ANEA, bald haben wir es geschafft ! »

Die lauten Worte von Arthur helfen ANEA, wieder etwas ruhiger zu werden. Sie fühlt sich sicher in der Kutsche, nur das Aussen gefällt ihr gar nicht. Hoffentlich ist diese Höllenfahrt bald zu Ende, denkt sie angespannt und klebt mit den Augen am Kutschenfenster. Wieder zischt es. Eigenartige, verzerrte Gestalten, ja, Ungeheuer mit grossen Fratzen und riesigen Zähnen zeigen sich wie schwirrende Schatten überall. Da überkommt ANEA ein grosses Schauern. Bitte, lass uns schnell weiterfahren, es gefällt mir hier überhaupt nicht. Doch etwas macht abrupt Halt.

Das Wasser wird still und Arthur meint kurz  : «  Gut, ist es gerade ruhig hier. Ich muss die linke Seite der Kutsche reparieren. Durch den Sog hat sie Schaden genommen, der behoben werden muss, bevor es weiter geht. Ich hoffe, es geht dir soweit gut, liebe ANEA. Ich weiss, diese Reise ist gefährlich, doch bald haben wir es geschafft. Dann sind wir auf der anderen Seite, du wirst sehen. » Gut so, denkt ANEA, gut so. Arthur hat den Schaden flink behoben und die Fahrt geht nun ruhiger und stetig weiter. Die Dunkelheit wird langsam weniger und es zeigt sich ein helles Blau ringsum. Schön, das tut gut. Nun kann ich nach diesem Schrecken in Ruhe meinen mitgebrachten Tee und die feinen Plätzchen geniessen, denkt ANEA fröhlich summend. Sie sitzt da in ihrer Kutsche, schaut staunend aus dem Fenster und isst gemütlich ihre Wegzehrung. Hellblau, türkis, dann eisblau ist nun das Wasser.

«  Oh, ein Robbenbaby », ruft ANEA, «  so hübsch ! » Ein grosser Eisklotz ist in weiter Ferne zu sehen. Ist dies vielleicht der erste Eisberg, den die Seefee zuvor erwähnte? Arthur gleitet unbeirrt und wie von einem unsichtbaren Kompass gesteuert Richtung Eisberg. Und mit einem Ruck stoppt die Kutsche auf dem weissen Berg aus ewigem Eis und Schnee.

«  Hab grossen Dank, lieber Arthur, das war wahrhaftig eine abenteuerliche Fahrt, danke dir ! », sagt sie und gibt ihm einen grossen Kuss auf seine dicke Walrossnase. Verlegen meint er, es sei ihm eine Ehre gewesen. «  Geh nun, liebe ANEA, einfach gerade aus bis zum grossen Eissee. Dort wohnt Hiru, der Eskimo. Er wird dir weiterhelfen, bestimmt ! » Und weg ist er. Mit einem Sprung zurück ins Meer verschwindet er in den Tiefen, zurück in seine Heimat. «  Ade Arthur », ruft sie im hastig nach, «  und lass bitte alle von mir grüssen ! »

Hier ist alles weiss und aus Schnee und Eis. Gut, habe ich meine warmen Fellkleider dabei. Das war wirklich sehr nett von der Seefee. So geht sie, wie von Arthur angewiesen, einfach gerade aus. Dorthin, wo sich der grosse Eissee wohl befindet...